Die Arbeiten aus Lou Jaworskis Werkserie HYLÉ (2021) erinnern auf den ersten Blick an handelsübliche Neon-Leuchtstoffröhren, erst beim Nähertreten ist erkennbar, dass es sich um Stäbe aus weißem oder rosafarbenem...
Die Arbeiten aus Lou Jaworskis Werkserie HYLÉ (2021) erinnern auf den ersten Blick an handelsübliche Neon-Leuchtstoffröhren, erst beim Nähertreten ist erkennbar, dass es sich um Stäbe aus weißem oder rosafarbenem Marmor handelt.
In HYLÉ Lagoa beziehungsweise HYLÉ Naxos schneidet er dünne Zylinder aus Marmor aus den gleichnamigen Orten in Portugal und Griechenland und gibt der massiven Materialität des Steins die zerbrechliche Eigenschaft von Glas. Der Titel HYLÉ (griechisch ὕλη, hylē, ‚Stoff, Materie‘) bezieht sich auf einen Begriff aus der aristotelischen Metaphysik: Hyle bezeichnet die formbare Masse, die durch die menschliche Hand Gestalt annimmt. Diese Thematik beschäftigt Jaworski häufig in seinen Werken, in seinen Arbeiten lotet er ständig die Grenzen von Materialien aus. In der Werkserie HYLÉ erprobt er die Grenzen der formbaren Materie des Steins, in dem er den Marmor in fragile Zylinder formt.
Durch die meist lehnende Anordnung der Röhren entsteht der Eindruck eines Raumes, der beleuchtet werden soll und richtet das Augenmerk auf die umliegende Architektur, auf die HYLÉ einwirkt. Das Aufkommen von Neonlicht hatte – vorrangig in öffentlichen Gebäuden und im Stadtbild – Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Räumen und wie diese, durch flächendeckende, farbige Beleuchtung oder Schriftzüge, gestaltet wurden. Den perzeptiven Einfluss von Neonlicht auf das alltägliche Leben wurde von Künstler/innen in kreative Prozesse aufgenommen und steht heute in einer langen materialästhetischen Tradition. Jaworski greift dies auf und überführt das serielle Industrieprodukt der Leuchtstoffröhre in handwerklichem Geschick zurück, in das traditionellste skulpturale Material, den Stein und schafft somit eine Ambivalenz zwischen Materialität, Wertigkeit und industriellem Fortschritt.